

Kurt Rosenwinkel und Jack
DeJohnette haben zur Eröff-
nung der Langnau Jazz Nights
zwei ganz unterschiedliche
ästhetische Auffassungen
präsentiert.
Tom Gsteiger
Am 15. September 1963 verübte der Ku-
Klux-Klan ein Attentat auf eine Baptisten-
kirche in Birmingham, Alabama, bei dem
vier kleine Mädchen ums Leben kamen.
Am 18. November 1963 nahm das epo-
chale Quartett des Saxofonisten John Col-
trane mit dem Stück «Alabama» ein zu-
tiefst bewegendes Werk auf, das inner-
halb weniger Minuten eine Stimmung he-
raufbeschwört, in der sich Trauer mit
Hoffnung paart. Dass Jack DeJohnette
dieses Stück an den Schluss seines Kon-
zerts in der Kupferschmiede in Langnau
setzte, kann als Botschaft verstanden
werden: Wir dürfen uns durch ein paar
durchgeknallte Fanatiker nicht vom Pfad
der Friedfertigkeit abbringen lassen.
Hauruck undHickhack
Der Schlagzeuger DeJohnette ist zurzeit
mit seinem neuen Trio unterwegs, zu
dem mit Ravi Coltrane (Saxofon) und
Matthew Garrison (Elektrobass, Laptop)
zwei Musiker gehören, deren Väter die
Jazzgeschichte nachhaltig geprägt haben
( Jimmy Garrison spielte Bass in John
Coltranes Quartett). Von nostalgischen
Anwandlungen ist aber in der mehrheit-
lich amorphen und widerborstigen Mu-
sik von DeJohnettes Trio nichts zu spü-
ren: Die Distanz zur Tradition wird
manchmal in geradezu krampfhafter
Manier zelebriert – dabei ist DeJohnette
mit Jahrgang 1942 eigentlich längst
selbst Teil dieser Tradition.
Im Gegensatz zur eher ereignislosen
CD «In Movement» kam es beim Auftritt
in Langnau nach heftigen Startschwie-
rigkeiten – in den ersten zwanzig Minu-
ten traute man seinen Ohren kaum, so
gross war die Konfusion – im zweiten
Teil zu kollektiven berserkerhaften
Energieausbrüchen, die allerdings zu
stark dem Hauruck- respektive Hick-
hack-Prinzip verhaftet blieben und in
die Länge gezogen wurden. Die Aktio-
nen der Musiker waren nicht optimal ko-
ordiniert: Nicht nur in den extrem lau-
ten Passagen, in denen ein differenzier-
tes Aufeinandereingehen nicht zuletzt
durch heftige Adrenalin- und Testoste-
ron-Schübe verunmöglicht wurde, ver-
misste man interaktiven Spielwitz und
Groove-Synchronität.
Während die Zusammenkunft von
DeJohnette, Coltrane und Garrison et-
was von einem Exorzisten-Treffen hatte,
glich der Auftritt des phänomenalen Gi-
Standards-Seminar und Exorzisten-Treffen
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tarristen Kurt Rosenwinkel einem hoch-
stehenden Standards-Seminar, bei dem
Stücke aus der goldenen Epoche des Mo-
dern Jazz (z. B. «Cheryl» von Charlie Par-
ker, «Self-Portrait in Three Colors» von
Charles Mingus oder «Ugly Beauty» von
Thelonious Monk) ohne Patina, aber
auch ohne übertriebenes Innovations-
gehabe zur Darbietung gebracht wur-
den: Statt die Stücke mutwillig aus den
Angeln zu heben, improvisierte man in-
nerhalb klar abgesteckter Grenzen vir-
tuos und eloquent, wobei diese Elo-
quenz ohne Rückgriff auf abgedro-
schene Phrasen zustande kam.
KeineHöhenflüge
Auf seine vertrackten Eigenkompositio-
nen hatte Rosenwinkel an diesem Abend
entweder keine Lust, oder er wollte den
Bassisten Paul Santner, der noch zu sei-
nen Studenten gehört, nicht überfor-
dern.
Rosenwinkel und der Pianist Aaron
Parks brillierten auch in diesem eher
konventionellen Rahmen mit allerlei
überraschenden Harmonie-Erweiterun-
gen. Die Band hob als Ganzes nicht ab,
dafür bewegte man sich zum einen in
einem zu engen dynamischen Rahmen,
zum anderen liess sich der Schlagzeuger
Jeff Ballard etwas gar selten aus der Re-
serve locken. Im Jahr 2000 war Ballard
an der Einspielung des enorm einfluss-
reichen Albums «The Next Step» betei-
ligt, mit dem Rosenwinkel die Entwick-
lung des Jazz im 21. Jahrhundert mass-
geblich beeinflusste: Dass der Gitarrist
trotzdem regelmässig zu Standards zu-
rückkehrt, zeigt, dass man ohne Rück-
besinnung auf die Tradition die Besin-
nung (oder gar den Sinn des Lebens) zu
verlieren droht.
Die Langnau Jazz Nights dauern noch bis
Samstag.
www.jazz-nights.chTipp
Abercrombie Quartet
Schön undwild
Man kann das so sagen: John Abercrom-
bie ist einer der geschmackssichersten
Gitarristen dieses Planeten. Nachdem er
einer der Wegbereiter war, als der Jazz
mit der Rockmusik flirtete (er spielte bei-
spielsweise auf Billy Cobhams Parade-Al-
bum «Crosswinds» mit), brachte er auch
die kunstfeindlichen 80s stilvoll über die
Runden (als Muse des ECM-Labels). Bis
heute hat er nichts von seinem Flair ein-
gebüsst, das Schöne mit dem Wilden zu
kontrastieren. Zu bewundern ist er heute
an den Langnau Jazz Nights.
(ane)
Kupferschmiede Langnau, heute, 20.15 Uhr.
em Aaschlag. Me gwöhn sech dra, dass
ds Militär geng durend ume syg. Dass d
Synagoge geng durend bewacht syg. Ja,
Sie wöui id USA uswandere. Druf han i
Das «je ne sais pas» isch mehreri Mal
cho, intensiv, inbrünschtig. Je ne sais
pas. Het o ihre d Hitz zuegsetzt? Oder
isch das itz dr Zuestand vo vilne? So viu
Chaos, dass me ke Ordnig meh dry ber-
chunnt? Aues schmürzelet, wie ds Hirni