Medienspiegel Langnau Jazz Nights 2024

16 SONDERBEILAGE SOMMER eine fotorealistischen Gemälde machten Franz Gertsch in den 70er-Jahren über Nacht berühmt. Doch den Berner Künstler auf diese Gattung zu reduzieren, wäre verfehlt. «In der internationalen Kunstszene ist er vor allem für seine grossformatigen Holzschnitte berühmt», sagt Anna Wesle, Kuratorin des Museum Franz Gertsch. 1986 gab Franz Gertsch sogar für einige Jahre die Malerei auf, um sich ganz dem Holzschnitt zuwenden zu können. Sein Merkmal? «Er verwendete filigrane Hohleisen, mit denen er punktförmig in ungewöhnlich grossen Formaten Holzschnitte von Landschaften anfertigte. Diese druckte er dann mit seinem Team auf handgeschöpftes Papier aus Japan», so Wesle. Wille nach Perfektion Gemälde und Holzschnitt sind die beiden Genres, die Franz Gertsch meisterhaft beherrschte. Wer einmal eines seiner Werke im Original gesehen hat, trägt diesen Eindruck lange in sich. Der Wille nach Perfektion ist in jedem Detail zu spüren. Im Jahr 2002 eröffnete das Museum Franz Gertsch in Burgdorf. Kunstinteressierte erhalten dort einen umfassenden Einblick in das Werk des vor zwei Jahren verstorbenen Künstlers. Mit Burgdorf hatte Franz Gertsch über lange Zeit nur wenig Berührungspunkte. Geboren wurde er 1930 in Mörigen im Berner Seeland, 1976 verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach Rüschegg, wo er bis zu seinem Tod unermüdlich an seinen Werken arbeitete. Erweiterungsbau für Werkzyklus Warum befindet sich das Museum Franz Gertsch nun aber ausgerechnet in Burgdorf? «Das hat mit dem Mäzen Willy Michel zu tun, der bereits früh Kunst von Gertsch sammelte und ihn in den 1990erJahren immer wieder in seinem Atelier besuchte», weiss Kuratorin Wesle. Anfangs der 2000er-Jahre beschliesst Willy Michel in seiner Heimatstadt Burgdorf ein Museum für die Werke von Franz Gertsch zu bauen. Der Künstler Franz Gertsch war Perfektionist durch und durch. An einigen seiner Werke arbeitete er über ein Jahr lang. Sein aus vier Gemälden bestehender Jahreszeiten- Zyklus etwa, bei dem er einen Waldausschnitt seiner Wahlheimat Rüschegg im Wechsel der Jahreszeiten auf grossformatiger Baumwoll-Leinwand festgehalten hat, entstand zwischen 2007 und 2011. Im Museum Franz Gertsch eröffnete 2019 ein Erweiterungsbau, um diesen Zyklus dem Publikum als Dauerausstellung zeigen zu können. Wellen auf Ibiza Drei Ausstellungen finden im Museum Franz Gertsch jeweils parallel statt. Diese wechseln alle sechs Monate. Dem Œuvre von Gertsch werden dabei jeweils Werke lebender Künstlerinnen und Künstler gegenübergestellt – noch bis im September beispielsweise solche der Düsseldorfer Malerin Karin Kneffel. «Die Gemälde und Holzschnitte von Franz Gertsch lassen sich mit neuen Augen sehen, wenn diese mit anderen Werken in Berührung kommen», so Anna Wesle. Bis zum Tod des Künstlers im Jahr 2022 konnte das Museum Franz Gertsch stets neue Werke ausstellen. Wechselausstellungen sollen nun weiterhin helfen, dessen zeitlose Kunst lebendig zu halten. Rüschegger Pigment Die derzeitige Ausstellung mit dem Titel «Rüschegger Erde» zeigt die letzten Werke von Franz Gertsch. Am Ende seines Lebens ging der Künstler nochmals frühere Motive durch und fertigte davon Variationen an. Bei seinem vorletzten Gemälde «Cima del Mar» greift er auf einen Holzschnitt aus den 90er-Jahren zurück, bei dem er eine eigene Fotografe verarbeitete. In einer Bucht in Ibiza nähern sich Wellen den Betrachtenden. Als wichtiges Motiv der letzten Werke diente Franz Gertsch seine Wahlheimat. In seinem allerletzten Gemälde fliesst das Schwarzwasser bei Rüschegg über die Leinwand. Der berühmte Pigmenthersteller Kremer liess zuvor extra ein Pigment mit dem Namen «Rüschegger Erde» herstellen und schickte es dem Künstler zu. «Franz Gertsch liegt jetzt in derjenigen Erde begraben, mit der er sein letztes Gemälde malte», so die Kuratorin Wesle. ■ Ausstellung «Rüschegger Erde» bis 1. Sept. museum-franzgertsch.ch Das Museum Franz Gertsch in Burgdorf zeigt das vielfältige Scha!en des Berner Künstlers, das weit mehr als hyperrealistische Bilder zu bieten hat. Die aktuelle Ausstellung «Rüschegger Erde» zeigt seine letzten Werke. ANDREAS ZURBRIGGEN Kunst – der Perfektion nahe wei Monate vor der Eröffnung der Langnau Jazz Nights und einen Tag vor dem Start des Ticketvorverkaufs geht es an den Feinschliff und Angela Schenker hat alle Hände voll zu tun. Sie ist die Geschäftsleiterin und die einzige im Team mit einer Fixanstellung. «Wenn das Festival dann startet und man sieht, für was man ein Jahr lang gearbeitet hat; das ist jeweils der schönste Moment», sagt sie im Gespräch im Mai. Mit den Jazz Nights ist Angela Schenker verbunden, seit sie denken kann. Ihr Vater Walter «Wale» Schmocker, selbst Kontrabassist, hat das Festival 1991 gegründet und bis 2015 geleitet. 2016 übernahm die Tochter das Steuer. Mitgeholfen hat sie aber bereits mit 15 Jahren. Während den Sommerferien unterstützte sie ihren jazzverrückten Vater jeweils im kleinen Festivalbüro bei administrativen Arbeiten. Im Booking ist Walter Schmocker immer noch tätig, im Kollektiv mit Schenker und zwei weiteren Personen. Ansonsten lasse er ihr alle Freiheit, betont die Festivalleiterin: «Er ist nicht der Typ, der nicht loslassen kann.» Zudem würden sie sich ideal ergänzen: «Mein Vater hat grosse Ideen, probiert gerne Dinge aus und schafft es, Leute zum Mitanpacken zu animieren. Ich bin eher strukturiert und organisiert», so Schenker. Den Horizont erweitern Beides ist gefragt bei einem Kulturanlass, der diverse Formate vom Konzert bis zum Workshops anbietet und zu einem grossen Teil auf Freiwilligenarbeit basiert. Von den um die hundert Helferinnen und Helfern stammen viele aus Langnau selbst. Es ist eine weitere Errungenschaft des hartnäckigen Festivalteams: Die Langnauer*innen haben den Anlass zu ihrem eigenen gemacht. Um diese Anerkennung hätten sie jedoch erst kämpfen müssen, gerade mit dem sperrigen Genre Jazz, sagt Angela Schenker. Heute werden die Langnau Jazz Nights von der Gemeinde finanziell unterstützt und das ganze Dorf versammelt sich jeweils für die Open-Air-Konzerte auf dem Viehmarktplatz. Das Off-Festival ist kostenlos und soll Berührungsängste abbauen, für manche ist es die erste Begegnung mit der Musikrichtung. «Wir sind natürlich gewachsen und die Bevölkerung ist mitgewachsen», sagt die Organisatorin und fügt an: «Es ist eine unglaubliche Chance für Langnau. Das Dorf kommt zusammen und der Horizont erweitert sich.» Zudem profitiere auch der Tourismus, die Hotels seien jeweils schon ein Jahr zuvor ausgebucht. «Und manche reisen aus Deutschland an und bleiben gleich eine ganze Woche auf dem Campingplatz.» Die Nähe zum Publikum Aber nicht nur die lokale Bevölkerung schätzt das Festival. Längst hat sich der familiäre Charme auch in der internationalen Jazzszene herumgesprochen. «Langnau wird jeweils während fünf Tagen zum kleinen Treffpunkt der New Yorker Jazzszene», sagt Angela Schenker. Für die Hauptkonzerte in der Kupferschmiede reisen regelmässig Weltstars an. In diesem Jahr etwa der Saxofonist Donny McCaslin, der mit David Bowie zusammengearbeitet hat, oder die Legenden John Scofield und Dave Holland, die in Langnau im Duo auftreten. Aber auch neuere Formationen wie die JazzAvantgardisten The Bad Plus oder die chilenische Saxofonistin Melissa Aldana haben Platz im Programm. Einige Musikerinnen und Musiker spielen zum wiederholten Mal im Emmentaler Dorf. «Die Jazz Nights sind ein willkommener Stopp auf ihren Sommertourneen», sagt Angela Schenker. «Sie schätzen es, zur Abwechslung in einem kleineren Konzertlokal zu spielen und geniessen die Nähe zum Publikum.» Auch gegessen wird oft am gleichen Ort wie die Zuschauerinnen und Zuschauer. Dann weht jeweils ein Hauch New York durchs Emmental. Die Jazz Nights holen jedoch nicht nur bekannte Namen nach Langnau, das Festival fördert auch den Nachwuchs. Etwas, das Walter Schmocker, der selbst an der Musikschule in Langnau unterrichtet hat, von Anfang an am Herzen lag. So finden diverse Workshops für junge Musiker*innen statt. Sie werden unter anderem von internationalen Künstler * innen geleitet, in diesem Jahr etwa vom Schlagzeuger Kendrick Scott. Mit den Takeoff Concerts gibt es zudem auch Live-Auftritte von Nachwuchstalenten. Es ist kein Zufall, dass mit der Sängerin Mirjam Hässig und der Pianistin Maja Nydegger (Blaer) nun zwei Musikerinnen im Hauptprogramm auftreten, die erste LiveErfahrungen im Nachwuchsprogramm der Langnau Jazz Nights gemacht haben. ■ Langnau Jazz Nights: 23. bis 27. Juli jazz-nights.ch Im Sommer macht die internationale Jazzszene Halt in Langnau: Angela Schenker leitet die Langnau Jazz Nights und holt Weltstars ans familiäre Festival. SARAH SARTORIUS New York liegt im Emmental Der amerikanische Schlagzeuger Kendrick Scott gibt einen Workshop und ist in zwei unterschiedlichen Formationen live zu hören. Bild: Todd Cooper Z Der vor zwei Jahren verstorbene Künstler Franz Gertsch gehörte zu den grossen Meistern seiner Zunft. In seinen letzten Werken gri! Gertsch auf Motive von früheren Arbeiten zurück. Beim Gemälde «Cima del Mar» von 2022 etwa auf einen Holzschnitt aus den 90er-Jahren. Bilder: Jesper Dijohn; Franz Gertsch AG Dominique Uldry S Der Bund, Sommer 2024

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